30. Mai 2024 | Blog

Externe Projektwoche in Montpellier

Zu Frankreich gehören nicht nur Eiffelturm, Arc de Triomphe, Baguette, Wein und guter Käse. In Montpellier erlebte die G2A südfranzösisches Savoir-vivre: Offenheit, maritime Idylle und eine reiche Geschichte. Ein Reisebericht.

Die Place de la Comédie bildet das Zentrum der lebendigen Metropole Montpellier im Süden Frankreichs, in der Region Okzitanien. Den grossen Platz säumen die Oper und zwei Redaktionen der Zeitung «La Gazette». Der Brunnen «Les Trois Grâces» wird umrahmt von einem marmornen Ei, das dem Platz den Beinamen «Place de l’oeuf» (Eierplatz) eingebracht hat. Um den Platz herum lockt die Stadt mit ihren Boulevards, Monumenten, Märkten, kleinen Gassen, Läden, Cafés und natürlich mit ihrer ganzen Seele: den Menschen, welche der Stadt ihren besonderen Charme verleihen.
Gleich am Abend unserer Ankunft wurden wir an diesem zentralen Ort von einer Gruppe aus der Klasse in die Geschichte des Platzes eingeführt. Auf einem Rundgang machten wir uns ein erstes Bild. Montpellier wurde im Mittelalter erbaut und ist daher eine vergleichsweise junge Stadt. Die historische Altstadt trägt den Namen «L’Écusson», was auf Deutsch «Wappenschild» bedeutet und ihre Form beschreibt.
Das Programm unserer externen Projektwoche hatten wir bereits im Französischunterricht an der Schule erarbeitet. Das Produkt der Woche sollte eine Bande déssinée sein (die französische Entsprechung zu einem Comic). Nach einer langen Zugreise mit dem TGV von Aarau über Genf und Lyon Part-Dieu hatten wir dann Montpellier erreicht, erschöpft, doch voller Neugier, diese Stadt zu entdecken. Die Nächte würden wir im kleinen, aber feinen Hostel «Le Maje» verbringen.
Am zweiten Tag besuchten wir das Quartier Antigone. Es wurde in den 80er-Jahren nach den Plänen des barcelonischen Architekten Ricardo Bofill erbaut und zieht seine Inspiration aus der Architektur des antiken Griechenland. Die Strassennamen versprühen alle einen Hauch von griechischer Mythologie, etwa die Rue Poséidon oder die Rue d’Athènes. Auch die Namen von Monumenten erinnern an die Antike. Die Fassade des Einkaufszentrums «Polygone», welche sich dem Quartier zuwendet, ist dagegen offensichtlich von den Gärten von Babylon inspiriert. In einer Schnitzeljagd mussten wir an verschiedenen Standorten Fragen beantworten, kreative Fotos machen und mit Passanten Selfies schiessen, um Punkte zu bekommen.
Nach dem Mittagessen brachte uns eine interessante Führung die medizinische Fakultät und die Geschichte der Medizin in Montpellier näher. Im Mittelalter bot die tolerante Stadt Juden einen Zufluchtsort und lockte zugleich arabische Händler an. Beide Bevölkerungsgruppen brachten ihr fortgeschrittenes Wissen mit, wodurch die medizinischen Kenntnisse sich hier schneller entwickelten als in anderen europäischen Städten. Bis heute ist Montpellier bekannt für die hohe Qualität von medizinischen Behandlungen. Den botanischen Garten der Stadt entdeckten wir anschliessend mit einer Foto-Challenge.
Der Mittwoch stand im Zeichen der Kunst. Wir lernten den aus Montpellier stammenden impressionistischen Künstler Frédéric Bazille (1841–1870) kennen. Dazu besuchten wir das Musée Fabre, eines der wichtigsten Museen Frankreichs. Damit wir uns anhand der vielen ausgestellten Werke nicht überfordert fühlen würden, beschränkte die Vorbereitungsgruppe unseren Besuch auf zwei Säle. Hier war aber umso mehr Scharfsicht gefragt: Es galt, mit Hilfe der ausgestellten Bilder ein Kreuzworträtsel zu lösen. Wir machten auch noch die Bekanntschaft zweier Kollegen von Bazille: Gustave Courbet war Maler des Realismus (1819–1877), Alfred Bruyas Kunstsammler und Mäzen (1821–1877). Nach dem Mittagessen reisten wir zur Domaine de Méric, der Sommerresidenz der Familie Bazille, und konnten die idyllische Natur dort geniessen.
Unser vierter Tag führte uns nach Sète. Die Stadt lockt mit einem Fischerhafen, einem maritimen Ambiente und mit ihrer Bekanntheit aus französischen Fernsehserien, die hier spielen. Während Montpellier über 277’000 Einwohner zählt, wird Sète von sechsmal weniger Menschen bewohnt. Dafür liegt die kleinere Stadt viel näher am Meer. Gleich nach einer kurzen Einführung am Bahnhof stiegen wir auf den Mont Saint Clair, von dem wir einen exzellenten Panoramablick auf die Stadt und ihre Umgebung hatten.
Auf einer Bootsfahrt auf dem Étang de Thau brachte uns ein charmanter Guide die Geschichte der Stadt Sète und die Fischerei näher, ganz besonders die Austernzucht, welche wir sogar unter Wasser sehen konnten. Viele von uns probierten beim Mittagessen die «Moules frites» mit frisch gefangenen Miesmuscheln und Pommes frites. Danach besuchten wir den berühmten Friedhof mit pittoreskem Blick auf das blau glänzende Meer, der durch das Gedicht «Le Cimetière marin» des in Sète geborenen Lyrikers Paul Valéry (1871–1945) unsterblich wurde. Zurück in Montpellier, konnten wir uns am Abend ein letztes Mal in einem längeren Ausgang in der Stadt austoben.
Am nächsten Morgen erhielten wir eine Führung durch die Altstadt und erfuhren viel Interessantes über die Geschichte Montpelliers. Wir bestiegen die Porte du Peyrou, eine Art Triumphbogen, von dem man einen wunderschönen Ausblick hat auf das historische Aquädukt und die Rue Foch mit ihrer von Paris inspirierten Architektur. Neben weiteren Monumenten der Stadt besuchten wir den «Mikvé», eine natürliche Wasserquelle, die der jüdischen Gemeinschaft im Mittelalter als rituelles Bad diente und heute als «Monument historique» klassifiziert ist. Am Ende der Führung offerierten unsere Lehrerinnen Frau Gabryjonczyk und Frau Keller uns eine grosszügige Käseplatte mit Brot und Birnen. Gut gestärkt machten wir uns schliesslich auf die Heimreise.
Die dichte und erlebnisreiche Woche war eine schöne Gelegenheit, unsere Französischkenntnisse aus dem Unterricht mit Französischsprechenden vor Ort anzuwenden und – wenn auch nur für kurze Zeit – ein weniger bekanntes, aber ebenso lebendiges Frankreich kennenzulernen.

Text: Manuel Raul Jegerlehner