Bunt und zeitgeistig
Täglich gehen Hunderte Schülerinnen und Schüler daran vorbei: am farbenprächtigen Glasfenster von Max Hunziker im Altbau. Obwohl es viel Raum einnimmt, nehmen es die meisten wohl kaum zur Kenntnis. Bei genauer Betrachtung fallen einem seine zeittypischen, heute kontroversen Botschaften auf.
Werkangaben
Künstler: Max Hunziker (1901 – 1976) Jahr: 1958
Titel: Unterweisung, Zusammenarbeit
Technik: Glasgemälde, Bleiverglasung mit Schwarzlotzeichnung
Grösse: 280 cm x 590 cm
Standort: Foyer im Altbau
Unterweisung, Zusammenarbeit
Die wandfüllende Glasfront in der Halle des Altbaus misst 590 cm in der Breite und 280 cm in der Höhe. Das Werk trägt den Titel «Unterweisung, Zusammenarbeit» und wurde von Max Hunziker1958 beim Bau der Schule mit der Unterstützung von Karl Ganz gefertigt. Sie führten den Entwurf mit Bleiverglasung und Schwarzlotzeichnung aus. Das Glasfenster vereint mit vielen Formen und Farben verschiedenste symbolische Bilder. Es wirkt durch seine intensiven Farben und die blumenreiche Ausschmückung sehr harmonisch. Das Farbspektrum reicht von dunklen und leuchtenden Tönen bis hin zu hellen, sanften Farben. Die einzelnen Scheibenfelder und vor allem die kreuzweise angeordneten, ornamentalen Bänder gliedern das Bild. Darin sind die Bildmotive frei verteilt. Sie fügen sich zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen.
Max Hunziker war ein zutiefst gläubiger Mensch, der seinen Glauben in seinen Werken zum Ausdruck brachte. Auch mit dem Glasfenster im Altbau der Neuen Kantonsschule Aarau wollte er den Betrachtern – und speziell den Betrachterinnen – die Lehre Gottes näherbringen. Das Gebäude wurde für das Töchterinstitut und das Lehrerinnenseminar errichtet, Institutionen, die nur Mädchen besuchen konnten. Farbig gemusterte Bänder unterteilen die grosse Fläche in vier Bereiche. In der Überkreuzung der Bänder leuchten hell weisse Lilien, die in der christlichen Ikonografie für die Jungfräulichkeit Marias stehen. Ihre zentrale Platzierung zeigt, wie wichtig diese Tugend dem Künstler schien, gerade für die jungen Frauen, die an dieser Schule «unterwiesen», also ausgebildet wurden. Auf der linken Seite ist eine Gruppe von Frauen abgebildet, die einem Mann zuhören. Er scheint eine wichtige Rolle zu spielen, da er in seiner Grösse deutlich herausragt. So wird in alten Gemälden Jesus als Prediger dargestellt. Auch hier ist er der Allwissende, der über das Leben, den Glauben und Gott lehrt. Die weisse Taube auf seiner Hand repräsentiert gemäss der christlichen Ikonografie den Heiligen Geist. Diese Menschengruppe wird begleitet durch ein Saiteninstrument und rote Früchte – auch sie wohl ein Verweis auf den Lehrplan.
Als typisch weiblicher Unterrichtsgegenstand galt das textile Werken, dies wird oben rechts abgebildet: Zwei Mädchen sitzen an einem kleinen Tisch und nähen einen Teppich zusammen. Ein dünner Engel öffnet im unteren Bildteil zwischen Getreide seine Flügel. Es scheint, als würde er über dem Aargauer Wappen schweben. Das Wappen verweist auf die kantonale Trägerschaft der Schule.
Während auf den ersten Blick vor allem das prächtige Farbenspiel auffällt, offenbart das Bild bei genauerer Betrachtung eine eher konservative Botschaft. Auch die starke Präsenz des Christentums darin lässt sich hinterfragen. Für das damalige Töchterinstitut und das Lehrerinnenseminar galten diese Motive wohl als passend und rückten die – neue – schulische Ausbildung von jungen Frauen in ein positives Licht.
Max Hunziker
Max Hunziker (1901−1976) ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Nicht nur seine Kunst, sondern auch sein Leben waren geprägt von vielfältigen Interessen. Er war ein beliebter Künstler, hauptsächlich bekannt durch prächtige Glasmalereien und Buchillustrationen.
In Zürich als Sohn eines Milchmanns aufgewachsen, absolvierte er die Lehrerausbildung, unterrichtete und wurde danach Kunstmaler. Er liess sich von seinen Vorbildern Paul Cézanne und Georges Rouault inspirieren. Nach Lehr- und Arbeitsjahren in Italien und Frankreich kehrte er 1939 nach Zürich zurück, um als Maler und Grafiker zu arbeiten. In Zusammenarbeit mit der Glaswerkstatt von Karl Ganz erschuf er Wappenscheiben und Glasfenster. Nach dem Tod von Karl Ganz widmete sich Hunziker wieder der Malerei und Grafik.
Die Werke von Max Hunziker strahlen Harmonie, Vertrauen und Wärme aus. Sie sind ästhetisch und gleichzeitig voller symbolischer Bedeutung. In Hunzikers Werken gibt es keine klare Trennung zwischen Weltlichem und Sakralem. So bringt er sein Verständnis von Religion als Verbindung zwischen der Welt und Gott zum Ausdruck.
Seine Kunst führt den Betrachter in die eigene Kindheit zurück. Beim Anblick seiner Werke nimmt man Bewunderung, Neugier und Unschuld wahr. Hinter der scheinbaren Naivität verbirgt sich jedoch eine tiefe, reine Innenwelt, die Max Hunzikers Kunst ausdrückt. Durch die einfache Symbolik können seine Werke spontan und leicht interpretiert werden.
Die Technik der Glasmalerei
Die Grundtechnik der Glasmalerei besteht aus dem Zusammenspiel von Glasteilen, malerischen Details und Bleirahmen. Diese Technik, die wahrscheinlich von der Goldschmiedekunst inspiriert ist, hat sich über viele Jahrhunderte kaum verändert. Das antike mundgeblasene Glas ist besonders brillant und bietet eine fast unendliche Auswahl an Farben. Es zeichnet sich durch kleine Bläschen und Schlieren aus, die viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
Der Prozess beginnt damit, eine genaue Risszeichnung zu erstellen. Diese Zeichnung wird auf Transparentpapier übertragen, auf dickeres Papier kopiert und als Schablonen ausgeschnitten. Der Künstler bestimmt die Farbordnung, was wegen der grossen Auswahl und der vielen Felder eine zeitaufwändige Entscheidung sein kann. Der Kunstglaser schneidet nun mit einem Diamant- oder Stahlwerkzeug das Glas Stück für Stück gemäss den Schablonen aus. Die Glasteile werden mit Klebewachs vorübergehend auf einer Glasplatte befestigt. Mit schwarzer Glasmalfarbe, dem Schwarzlot, werden kleine Details wie Gesichtszüge hinzugefügt. Die bemalten Glasteile werden von der Glasplatte gelöst, auf eine mit Kreidemehl bestrichene Stahlplatte gelegt und in einem Keramik-Brennofen erhitzt. Während des Brennens verbindet sich die schwarze Farbe mit der Oberfläche des Glases. Danach werden die Glasteile in Bleiprofile eingesetzt und das Werkstück wird mit Kitt versiegelt, um Zwischenräume zu füllen. Zum Schluss wird die fertige Glasmalerei noch gereinigt und poliert.
Amy Kalfus, Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten, 2023